14 NOTFALL INKLUSIONSSCHÜLER
- Thomas Holberg

- 3. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Nov.

14 NOTFALL INKLUSIONSSCHÜLER
Plötzlich sorgte ein lauter Aufschrei dafür, dass die ganze Klasse zu den Fenstern eilte und gebannt auf den Hof starrte. Was lief denn dort wieder ab? Ich erinnerte mich an einen ähnlichen Tumult, als irgendwer von den Vandalen eine Mülltonne so sehr in Brand gesetzt hatte, dass die zuckenden Flammen gewaltig nach oben stießen. Nur wenige Zeit später erschien die Feuerwehr… (überraschenderweise konnte der verantwortliche Schüler nach intensiven Ermittlungen identifiziert werden…)
Das hektische Gedränge an den Fenstern versperrte mir den Zugang, um selber hinunterzuschauen. Aber schon bald posaunten immer mehr Schüler die Ursache für das Theater aus.
„Seht nur, sie holen N.O. ab.“
„Wahnsinn, die hat bestimmt wieder was angestellt.“
N.O.?
Die Schülerin mit den emotional-sozialen Störungen?
Der Schrecken in Person?
Ich wusste bereits über etliche ihrer Delikte Bescheid, mit denen sie nicht nur uns, sondern auch die Polizei in Atem hielt. Welcher Vorfall besonders entsetzte, war ihr Vergehen in der Umkleide vor dem Sportunterricht. Dort machte sie unbemerkt unsittliche Fotos, um diese später im WEB zu verbreiten. Unsere Rektorin steckte sowieso permanent im Krisenmodus, doch die Heftigkeit der erzürnten Eltern und Schülerinnen ließen sie noch mehr rotieren als sonst. Selbst wenn die einzuschaltende Polizei einiges klären könnte und das Jugendamt wieder mal entsprechend beauftragt würde, so blieb eine Sache gewiss: N.O. besaß aufgrund ihrer emotional-sozialen Störungen keine Einsicht dafür, verbotene Handlungen unterlassen zu müssen. Und weil ihr die Behörde sogar nach dieser Entgleisung keine Sonderpädagogin zur Seite stellte, manifestierte sich auch diese Angelegenheit als ein unlösbares Problem.
„Sieh, noch ein Sanitäter.“
„Nein, das ist ein Notarzt.“
„Woher weißt du das?“
„Der setzt N.O. doch eine Atemmaske auf.“
„Ist sie überhaupt noch am Leben?“
„Keine Ahnung, sie sieht aus wie tot.“
Jetzt schaffte ich es doch ans Fenster vorzudringen, um mir selbst ein Bild von dem zu machen, was meine Klasse in ein Tollhaus verwandelt hatte. Alles was die Schüler in voller Erregung herausschrien entsprach der Wahrheit, spiegelte einen Kampf um Leben und Tot wider. N.O. befand sich mittlerweile auf einer Notfalltrage bzw. auf einer Fahrtrage mit Rädern und trotz der schon unternommenen Rettungsmaßnahmen zeigte N.O. keinerlei Regung. Also beschloss das Rettungsteam, die Fahrtrage fix zum Krankenwagen zu schieben. Dort angekommen, dauerte es nur wenige Augenblicke, bis N.O. im Transporter verschwand. Sein schnellstmögliches Losfahren mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn signalisierte unmissverständlich, dass hier etwas absolut Dramatisches passiert ist.
Nachgang:
Das Leben von N.O. konnte gerettet werden. Ursache ist wohl eine erneute Eskapade gewesen, bei der ihre eigenen Nerven durchgedreht sind, sodass sie hyperventilierte und in Ohnmacht fiel.
Wer für Inklusionsschüler ein richtiges Briefing erhält, der kennt die hierfür kritische Besonderheit. Schüler mit emotional-sozialen Störungen neigen bei Stress zu einer deutlich beschleunigten Atmung, wodurch die Lunge übermäßig Kohlenstoffdioxid / CO2 ausstößt, wodurch der pH-Wert im Blut steigt, wodurch u. a. die Konzentration von Kalzium sinkt, wodurch diverse Muskeln krampfen. Des Weiteren folgt eine Verengung der Blutgefäße im Gehirn, was die Sauerstoffversorgung stört, was eine Benommenheit hervorruft und dann eine Ohnmacht, was spätestens jetzt zum Handeln zwingt.
Der Notarzt hatte bei seinem Einsatz der reglosen Schülerin sehr wahrscheinlich eine Hyperventilationsmaske mit Rückatembeutel aufgesetzt, weil das Rückatmen der ausgestoßenen Luft den CO2-Gehalt im Blut wieder erhöhen sollte. Aber da trotzdem die Ohnmacht geblieben ist, mussten Ärzte im Krankenhaus tätig werden...
Ende vom Lied:
Erst nach diesem Fiasko bekam N.O. ein Nein, ein Nein für den weiteren Verbleib an unserer Schule, ein Nein für das Schikanieren vieler Mitschüler, ein Nein für ihr permanentes Stören im Unterricht, ein Nein für den ganzen Aufwand von Lehrkräften und Rektoren, immer wieder ihre Verfehlungen dokumentieren zu sollen und Konferenzen einberufen zu müssen.
Die Behörde / Regierung bewies mal wieder, nur dann etwas in eine andere Richtung zu lenken, wenn das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen ist. Was allerdings auch nicht hilft, wenn massenhaft sonstige Persönlichkeiten wie N.O. weiterhin ihr Ja bekommen.










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